„Inklu­si­on hat eine unglaub­li­che Themenbreite“

(Pres­se­infor­ma­ti­on Josefs­heim Big­ge, Mario Pol­zer)
MdL Mat­thi­as Kerkhoff (CDU) erläu­tert im Josefs­heim neu­es Gesetz

Am Anfang sei­ner Aus­füh­run­gen stand eine Posi­ti­ons­be­stim­mung: Als Mit­glied der CDU-Frak­ti­on und somit der Oppo­si­ti­on im nord­rhein-west­fä­li­schen Land­tag erläu­te­re er hier ein Gesetz, für das sei­ne Par­tei nicht ver­ant­wort­lich sei, beton­te Mat­thi­as Kerk-hoff. Trotz­dem sei das The­ma natür­lich aktu­ell und wich­tig. Auf Ein­la­dung der Eltern- und Ange­hö­ri­gen­ver­tre­tung war Kerkhoff ins Josefs­heim nach Big­ge gekom­men, um das neue Inklu­si­ons­stär­kungs­ge­setz zu erläu­tern und mit einem Publi­kum aus Betrof­fe­nen und Fach­leu­ten zu dis­ku­tie­ren.
Er sei zuver­sicht­lich, dass die­ses Gesetz noch im ers­ten Halb­jahr 2016 ver­ab­schie­det wer­de. Es kon­kre­ti­sie­re die Rech­te von Men­schen mit Behin­de­rung, die in der Behin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on der Ver­ein­ten Natio­nen fest­ge­schrie­ben wur­den. Auch die Städ­te und Gemein­den wür­den damit ver­pflich­tet, die­se Rech­te auf ihren Ebe­nen umzu­set­zen, so Kerkhoff.
Doch wie kon­tro­vers das The­ma Inklu­si­on dis­ku­tiert wer­de, hät­ten die Anhö­run­gen zum Gesetz gezeigt. Sozi­al­ver­bän­de, Selbst­hil­fe­grup­pen und die Ver­bän­de und Ver­ei­ni­gun­gen von Betrof­fe­nen wur­den dazu gehört. „Eini­gen ging das Gesetz nicht weit genug. Ande­re fan­den die Rege­lun­gen zu unver­bind­lich. Wie­der ande­re hiel­ten es dage­gen für nicht zustim­mungs­fä­hig oder sogar kom­plett über­flüs­sig.“ In die­sem Sin­ne argu­men­tier­te auch Hubert Vorn­holt, Geschäfts­füh­rer des Josefs­heims: „Der­zeit stellt sich jeder unter Inklu­si­on etwas ande­res vor. Die unbe­ant­wor­te­te Fra­ge dabei ist: Wer bezahlt?“

In Nord­rhein-West­fa­len leben rund 2,7 Mio. Men­schen mit Behin­de­rung. Um ihnen allen gerecht wer­den zu kön­nen, wei­se das neue Inklu­si­ons­stär­kungs­ge­setz zwangs­läu­fig eine „unglaub­li­che The­men­brei­te“ auf, so Kerkhoff. Die CDU im Land­tag kri­ti­sie­re, das Gesetz soll­te mehr Zie­le fest­le­gen und Zeit­plä­ne ver­bind­li­cher beschrei­ben. Doch man müs­se auch rea­lis­tisch blei­ben: „Nicht alles, was wün­schens­wert ist, ist auch sofort mach­bar.“
In der Dis­kus­si­on lös­ten sich die Teil­neh­mer schnell von dem Gesetz und erör­ter­ten das The­ma Inklu­si­on all­ge­mein. Kle­mens Kienz ver­tritt die Inter­es­sen von Eltern und Ange­hö­ri­gen auf Diö­ze­sa­ne­be­ne. Er sorgt sich dar­um, dass die Inter­es­sen von Men­schen mit schwers­ten Behin­de­run­gen aus­rei­chend ver­tre­ten wer­den. Dabei gehe es auch um die zukünf­ti­ge Rol­le von Dienst­leis­tern für Men­schen mit Behin­de­rung wie dem Josefs­heim. „Wenn unter dem Deck­man­tel der Inklu­si­on über die Abschaf­fung die­ser Ein­rich­tun­gen dis­ku­tiert wird, krie­gen wir Ange­hö­ri­gen die Kri­se“, brach­te es Kienz auf den Punkt. „Die Ein­rich­tun­gen leis­ten gute Arbeit und ver­wirk­li­chen Inklu­si­on.“ Gleich­wohl hät­ten sie dabei immer mehr Schwie­rig­kei­ten, weil ihnen dafür immer weni­ger Geld zur Ver­fü­gung ste­he.
Ein „kla­res Ja zu den Ein­rich­tun­gen“ gab es dazu von Mat­thi­as Kerkhoff: „Wir sind gut bera­ten zu schau­en, wie sich die Ein­rich­tun­gen wei­ter­ent­wi­ckeln kön­nen, um zukünf­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen zu begeg­nen.“ Mehr Geld kön­ne aber auch ein neu­es Gesetz nicht beschaf­fen: „Die Mit­tel sind begrenzt. Dar­an ändert auch ein Gesetz nichts.“
Josefs­heim-Geschäfts­füh­rer Hubert Vorn­holt for­der­te, bei der Ermitt­lung des indi­vi­du­el­len Hil­fe­be­darfs die Umwelt des ein­zel­nen Men­schen mit Behin­de­rung stär­ker in den Blick zu neh­men. „Behin­de­rung ist ein Wech­sel­spiel zwi­schen dem Men­schen und sei­ner Umge­bung“, so Vorn­holt. „In einer bar­rie­re­frei­en Umge­bung ist der Hil­fe­be­darf wesent­lich gerin­ger als in einer mit Bar­rie­ren.“ Die­se indi­vi­du­el­le Betrach­tung feh­le der­zeit. „Die Kos­ten wer­den also mit einer Misch­kal­ku­la­ti­on ermit­telt, die kei­nem ein­zel­nen Men­schen gerecht wer­den kann.“
Bei allen Kon­tro­ver­sen konn­ten die Dis­kus­si­ons­teil­neh­mer zum Schluss der Fest­stel­lung von Mat­thi­as Kerkhoff zustim­men: „Mit dem, was wir in Deutsch­land bei der Teil­ha­be von Men­schen mit Behin­de­rung erreicht haben, kön­nen wir uns im euro­päi­schen Ver­gleich sehen lassen.“

(Foto: Mario Polzer)